Schlachten wie zu Omas Zeiten
Ach, war das doch früher schön. Auf dem Bauernhof und bei dem kleinen Kötter nebenan hatte man noch richtige „Hausschweine“ - die waren gute Kostverwerter, wenn nach den Mahlzeiten Reste übrig blieben. Die Sauen wurden rund und dick gefüttert bis zum Tag „X“. Dann kamen der Hausschlachter und oft auch die halbe Nachbarschaft, um beim Wursten zu helfen. Sie blieben natürlich zum Essen und die frisch zubereiteten Gaumenfreuden wurden ordentlich begossen. So ein Schlachtfest konnte sich schnell über eine Woche hinziehen.
Tatsächlich ist eine Hausschlachtung kein Kinderspiel. Da wird jede Hand gebraucht. Das Unangenehmste ist immer die eigentliche Schlachtung des Tieres. Auch beim Aufbrechen des noch warmen Tierkörpers kann sich einem Zuschauen schon mal der Magen umdrehen. Da fragen sich heute viele Leute, was sind das bloß für Menschen, die in dem Beruf des Schlachters ihre Erfüllung finden. Doch halt, geschlachtet wird und wurde schon seit Menschengedenken. Wir (Verbraucher) sind heute nur nicht mehr hautnah dabei und wissen oft gar nicht, wie die Wurst in die Pelle und das Hackfleisch in den Burger kommen.
Der Recker Heimatverein feiert in diesen Tagen seinen 90.ten Geburtstag und nutzt die Gelegenheit das Thema „Hausschlachtung wie zu Omas Zeiten“, also mit allem Drum und Dran, wieder einmal in Erinnerung zu rufen. Heinz Stall und Josef Stegemann sind Schlachter und werden 2 Schweine vorschriftsmäßig schlachten und verwursten. Die beiden je 160 Kilogramm schweren Sauen von den Recker Landwirten Franz Fischer und Hubert Grove wurden vom Heimatverein mit zwei alten Traktoren in uralten Viehanhängern abgeholt. Doch der Transport verlief nicht so glatt wie gedacht. Auf dem Marktplatz fuhren Ulli Wenner und Christian Stegemann prompt in die Polizeikontrolle. Seppel, alias Josef Breulmann, in seiner historischen Polizeiuniform, brachte die beiden Treckergespanne im Schatten der alten Recker Fachwerkhäuser und der evangelischen Kirche auf. Er schaute sich die Papiere und die beiden Borstenviecher genau an, konnte aber nichts Gravierendes finden. Nach einem eilends organisierten „Schnäpsken“ ging es dann zur Raiffeisen-Genossenschaft zum Wiegen und schließlich ins ehemalige Schlachthaus Brüggemann an der Haarstraße.
Und dort warteten schon die Schlachter mit ihren gewetzten Messern. Nach dem Abladen der Tiere ging alles sehr schnell. Die beiden Schweine haben (wahrscheinlich) gar nichts mitbekommen und waren sofort tot. Was dann folgte, war professionelles Handwerk. Viele Schaulustige waren dort, um sich die Schlachtung und das Aufbrechen der Tiere anzusehen. Tage später wurden die Tiere zerlegt und weiter verarbeitet. Nicht nur die beiden Schlachter, auch die Frauen des Heimatvereins leisteten ganze Arbeit, als das Fleisch der Tiere zu Leber-, Rot - und Bratwurst verarbeitet wurde. Daneben bereitete man auch das Leber- und Wurstebrot zu. Ganz zum Schluss kochten Heinz Stall und seine Frau noch 60 Liter Schweinepfeffer, eine überregionale, früher oft genossene Spezialität, die heutzutage erwartungsgemäß nicht mehr die meisten Liebhaber findet.
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht: Sauberkeit und Hygiene sind oberstes Gebot bei der Schlachtung. Natürlich wurde auch eine ordnungsgemäße „Trichinenschau“ durch den Tierarzt Achim Johannes vorgenommen. Die Umsetzung der Idee, eine traditionelle Hausschlachtung wie zu Omas Zeiten abzuhalten, ist dem Heimatverein sehr gut gelungen.
F. Büscher
Was kommt alles drin?
Leberwurst:
- abgesuchtes Kopffleisch
- Backe
- Wammen
- Leber
- Schwarten
- Brühe
- Salz und Gewürze
Leberbrot (Punskebraut):
- gleiche Zutaten wie in Leberwurst
- Weizenmehl
Das Mehl dient zum Verdicken der Masse und dazu, es schnittfester zu machen.
Das Leberbrot wird in der Pfanne gebraten.
Rotwurst (Blutwurst):
- Schwarten
- Kopffleischreste
- Herz und Zunge in kleinen Würfeln geschnitten
- Speck
- Blut
- Salz und Gewürze
- Brühe
- Zwiebeln
Wurstebrot (Wosstebraut):
- gleiche Zutaten wie in Rotwurst
- grobes Roggenschrot
Das Roggenschrot bindet die Masse, damit es später geschnitten und in der Pfanne gebraten werden kann.
Schweinepfeffer (Schwienepiäper):
- Bratenfleisch
- Rippenfleisch
- Lorbeerblätter
- Nelken(pulver)
- Salz
- Rosinen
- getrocknete Pflaumen
- Zucker
- Essig
- Speisestärke
- Blut
Ein großes Schlachtfest zum
90. Geburtstag
Der Recker Heimatverein hatte geladen und viele kamen
Nun war das ehemalige Schlachthaus Brüggemann an der Haarstraße nicht gerade die „gute Stube“ von Recke, aber der Recker Heimatverein hat das Beste daraus gemacht und dafür viel Lob geerntet. Es sei etwas gewöhnungsbedürftig in einem Schlachthof zu feiern, stellte Landrat Thomas Kubendorff dann auch ohne Umschweife fest. Kein Wunder, ein paar Stunden nach dem Herrenabend in Lotte kann das schon mal auf den Magen schlagen. „Wo wollen wir denn auch mit so vielen Leuten hin“, fragte Martin Stroot, „in der Ruthemühle können wir keine 300 Leute lassen“. Da hat er recht. Und es waren sicherlich über 300 Leute, die im Laufe des Tages vorbeischauten. Alle waren zufrieden - übrigens auch unser Landrat - nur die Tasse „Schwienepiäper“ für das Gruppenfoto hat er dann doch dankend abgelehnt.
Es war ein rundum gelungenes Fest. Neben dem „Musikzug Blau-Weiß-Espel“, der mit ca. 50 Musikern angetreten war, spielte auch das „Saxophon-5tett mit Rhythmus“ des Kulturvereins Recke unter der Leitung von Holger Till. Die Plätze im Kühlhaus waren bis auf den letzten Platz besetzt, als der Hausherr und Vorstandsmitglied des Heimatvereines, Martin Stroot, an das Rednerpult trat und die vielen Gäste willkommen hieß.
In seiner Begrüßungsrede lobte Stroot die ehrenamtliche Arbeit des Vereines. „Der Verein ist eigentlich 91 Jahre alt“, betonte Stroot. Im letzten Jahr verstarb leider der Vereinsvorsitzende Heinrich Audick. Man habe daraufhin kein Fest feiern können, erklärte er, und fuhr fort, „der Heimatverein wird sich jetzt breiter aufstellen und dafür sorgen, das in den nächsten Wochen der gewählte Vorstand die Aufgaben erfüllen kann, die wir uns vorgenommen haben“.
Landrat Thomas Kubendorff überbrachte schließlich die besten Glückwünsche des Kreises Steinfurt. „Sie sind einer der ältesten Heimatvereine im Tecklenburger Land und darauf können sie richtig stolz sein“, sagte Kubendorff und „sie haben sich für ihre Heimat engagiert, sie gemeinsam gestaltet und haben sicherlich dabei auch viel Freude im Verein gehabt. Dazu gratuliere ich ganz herzlich“.
Die Kreisheimatbundvorsitzende Reinhild Finke aus Schale lobte insbesondere die großartige Jugendarbeit des Recker Heimatvereines. Sie hob dabei ganz besonders Rita Volkmer hervor, die für ihr beharrliches Zupacken und ihr Engagement weit über die Grenzen Reckes bekannt sei.
Auch Bürgermeister Eckhard Kellermeier ist sehr stolz auf die „tolle Jugendarbeit“ des Heimatvereines. Das sei für den Verein sehr wichtig, wenn Brauchtum und Tradition weitergegeben würden. Er wolle allerdings auch mit auf dem Weg geben, dass ein Verein, der so breit aufgestellt sei, nicht nur Häuptlinge, sondern sehr viele Indianer benötigt, so wie beim heutigen Schlachtfest. „Sehen sie zu, dass sie ihre „Indianer“ alle bei der Stange behalten. Nehmen sie sie mit, dann wird auch zukünftig der Verein florieren und seine Aufgaben zum Wohle der Gemeinde Recke erfüllen können.“, konstatierte Kellermeier zum Schluss.
Nachdem Silver Saerbeck die sehenswerte Chronik des Heimatvereines vorstellte, lud Florenz Beckemeyer, nach einem großen Dankeschön an die Helfer, alle ein, die Leckereien zu kosten. Das ließen sich die Gäste nicht zwei Mal sagen und strömten förmlich zu Leberbrot und Kotelett. Im Nachbarraum hatte der Heimatverein ein riesiges Büfett aufgebaut. Es gab belegte Brote mit Leber- und Rotwurst, aber auch Schnitzel und Koteletten, sowie das „Punskebraut vönt Schwien mit Schwatbraut dobie“ und nicht zu vergessen den berühmten „Schwienepiäper“.
In gut 9 Jahren wird der Recker Heimatverein 100 Jahre alt - das wird bestimmt ein noch größeres Fest werden. Vielleicht schlachten die Freunde des Heimatvereins dann sogar einen Ochsen. Bleibt allerdings zu hoffen, dass bis zum runden Geburtstag sich weiterhin viele, wenn nicht sogar noch mehr Recker und Steinbecker Bürger für ihre Heimat engagieren. Denn Heimat ist für viele der Ort in den ein Mensch hineingeboren wird, wo er seine Kindheit verbracht hat, auf jeden Fall der Ort, an dem man sich wohlfühlt und mit dem sich der Einzelne identifiziert. Der deutsche Philosoph Karl Jaspers soll einmal zum Thema „Heimat“ gesagt haben: „Heimat ist da, wo ich verstehe und wo ich verstanden werde“. Und - haben Sie verstanden?
F. Büscher
http://heimatverein-recke.de/index.html