Die Getreideernte im vorigen Jahrhundert
Landwirt Franz Fischer erinnert sich
© Text u. Fotos: Felix Büscher
„Was war die Getreideernte früher eine Plackerei. Bevor wir Maschinen, zum Beispiel einen Trecker oder Grasmäher, für die Getreideernte hatten, musste alles mühsam mit der Hand gemacht werden“, erinnert sich der heute 85-jährige Bauer Fischer aus Recke. Bei Franz Fischer haben sich die Bilder aus seiner Kindheit tief eingeprägt und er weiß gar nicht, wo er zu erst anfangen soll zu erzählen. Als Kind hat er die schrecklichen Kriegsjahre miterlebt und berichtet über die jungen, armen Kriegsgefangenen, die bei den Bauern arbeiten mussten. Nie wieder wolle er so etwas miterleben. Doch die Bauern waren damals in der Getreideernte über jede helfende Hand dankbar.
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Garben verladen
| | Kaffeepause auf dem Feld
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Wenn das Getreide reif war und geerntet werden sollte, mussten alle mit anpacken, erinnert sich Fischer. Man hatte damals noch Knechte und Mägde auf dem Hof. Die Knechte waren für die Viehversorgung zuständig und mussten auf den Feldern arbeiten. Die Mägde unterstützten die Bäuerin bei ihren Arbeiten im Haus und auf den Hof. Dazu gehörte auch die Kleintierversorgung. In der Erntezeit zählte jeder Mann und auch die Heuerleute und die Nachbarn arbeiteten mit. Heuerleute waren vertraglich an den Bauern gebunden und lieferten das gesamte Jahr hindurch wichtige „Hand- und Spanndienste“.
Hopstener Heimatverein führt umgebauten Grasmäher mit Ableger vor.
Die Erntezeit begann. Spätestens um 6 Uhr am Morgen stand die Bauersfamilie auf und nahm das erste Frühstück ein. „Wir Kinder bekamen leckere Michsuppe mit „Schwattbraut“ (Schwarzbrot)“, weiß Franz Fischer noch. Danach begann zuerst die Arbeit auf dem Hof. Ein zweites Frühstück folgte gegen 9 Uhr. Am späten Vormittag war das Getreide auf dem Feld soweit vom Morgentau getrocknet, das man mit der Mahd beginnen konnte. „Zum Glück war die Zeit Mitte des letzten Jahrhunderts vorbei, dass man ein ganzes Feld mit der Sense mähen musste“, erzählt Fischer, „wir haben unsere Pferde vor dem speziell umgebauten Grasmäher angespannt, das Getreide gemäht, während die Garben von Hand gebunden wurden“. Die harte Arbeit wurde zur Mittagszeit unterbrochen. Zunächst wurden die erschöpften Pferde ausgespannt und versorgt. 10 bis 12 hungrige Leute versammelten sich anschließend gemeinsam am Mittagstisch auf dem Bauernhof. „Nach dem Essen haben wir oft noch eine kleine „None“ (Mittagspause) gehalten, bevor es gegen 14 Uhr wieder weiterging“, erzählt Bauer Fischer. Er weiß noch, dass sein Vater den Kindern auftrug, nach der Schule schnell das Mittagessen einzunehmen. Danach sollten sie sofort auf das Getreidefeld zum Mithelfen kommen. Die Schularbeiten könnten sie machen, wenn man abends wieder auf dem Hof sei und es dunkel wurde. In den Nachmittagsstunden gab es auf dem Getreidefeld noch die beliebte Kaffeepause. Alle versammelten sich um die Körbe mit belegten Broten und Butterkuchen, die von der Bäuerin und der Magd am Tag davor gebacken worden waren. „Abends, zwischen 6 und 7 Uhr, endete das Mähen“, berichtet Bauer Fischer und ergänzt, „wir Kinder mussten dann zusammen mit den Frauen noch die letzten Roggengarben zusammenbinden und in Stiegen zum Trocknen aufstellen. Es waren immer 20 Stück in einer Stiege und beim Hafer waren es 16 Stück. Die Stiegen standen auf dem Feld noch einige Tage zum Nachtrocknen, bevor sie auf den Hof gebracht wurden“. Als abends die Arbeit getan war, ging man todmüde zurück auf den Bauernhof. Jetzt musste noch schnell das Vieh versorgt werden. Oft war es so, dass die Schulkinder erst nach dem Abendessen ihre Schularbeiten erledigen konnten. Er war eine harte Zeit. Zum Jahresende wurde das Getreide auf den Höfen gedroschen und das Korn brachte man dann zur nächsten Mühle, wo es zu Mehl gemahlen wurde.
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Recker "Oldtimer Schlepper Fahrer" mit Bindemäher. | | |
Auf den von Pferden gezogenen Grasmäher, der zum Getreidemäher umgebaut werden konnte, folgte später der Selbstbinder, der auch Mähbinder genannt wurde. Das hat die schwere Arbeit auf dem Getreidefeld nochmals deutlich erleichtert. 2 Mann, einer auf dem Vorderwagen als Fahrer und einer, der auf dem Mäher das Getreide auf das Förderband zum „Knoter“ einlegen musste, waren erforderlich. Dazu fällt Franz Fischer spontan eine Anekdote ein, die sich tatsächlich so abgespielt haben soll. Die Recker Bauern Meyer, Strootmann, Wolke und Fischer trafen sich im Sommer immer Sonntagsmorgen an den Wiesen im „Stadener Feld“ an der Grenze zur Gemeinde Hopsten, um nach den „dicken Bullen“ zu sehen. Das wusste der Unternehmer Josef Jasper und besuchte eines Tages diese solvente Gruppe. Schnell machte er ihnen das Angebot, doch die neue technische Errungenschaft – den Traktor – bei der Getreideernte einmal auszuprobieren. „Wir konnten den neuen Deutz-Trecker zusammen mit Fahrer für einen Tag bei der Ernte einsetzen. Unser Papa war begeistert, als wir am Abend ein großes Roggenfeld gemäht hatten und ich wurde an dem Tag auch noch als Fahrer angelernt“, erinnert sich Bauer Fischer. Viele Neugierige hätten mitbekommen, dass die ersten Trecker in der Gegend für die Getreideernte eingesetzt werden sollten und waren gekommen, um sich das Spektakel aus der Nähe anzusehen. „Den Trecker hat unser Papa dann auch gekauft“, bemerkt Fischer noch mit einem gewissen Schmunzeln.
Ende der 50iger Jahre kamen hierzulande die selbstfahrenden Mähdrescher zum Einsatz.
(Heimatverein Hopsten)