Aus dem Leben eines Bergmanns
Der nördlichste Kohlehobel Deutschlands steht in Weese
© Text u. Fotos: Felix Büscher
Die Steinkohleförderung im Ibbenbürener Bergbau ist Geschichte. Am 17. August wurden die letzten Kohlen gefördert. Nicht nur für viele Bergleute ein einschneidendes und bewegendes Ereignis. Nach fast 500 Jahren wird nun der Bergbau eingestellt und damit endet eine von traditionellen Werten und sozialer Verantwortung geprägte Ära. Geschichtlich betrachtet ist die Wiege des Bergbaues im Recker Buchholz zu finden. Das belegt ein Dokument aus dem Jahre 1650, eine anschauliche „Oranische Karte“, mit vielen Details. Schon damals mussten die Bergleute hart arbeiten. Mit der Hacke wurden die Kohlen in einem Flöz abgebaut und mit Seilwinden in Bottichen zutage gefördert.
Die Steinkohleförderung im Ibbenbürener Bergbau ist Geschichte. Am 17. August wurden die letzten Kohlen gefördert. Damit geht eine 500jährige Bergbauhistorie zu Ende, die ihren Anfang im Recker Buchholz fand.
Den Beruf des Bergmanns verkörpert niemand besser als der aus dem niedersächsischen Weese stammende Johannes Hüls. Noch heute kann sich der 73 Jahre alte Rentner für diesen ehemaligen Beruf begeistern. Es sprudelt nur so aus ihm heraus und er erzählt Geschichten über Begebenheiten seiner Kumpel untertage, aus einer bizarren, dem Außenstehenden oftmals verschlossenen Arbeitswelt. Schnell wird klar, dass die Gemeinschaft unter den Bergleuten immer noch eine Besondere ist.
Jan Hüls sieht die Schließung des Ibbenbürener Bergbaus mit gemischten Gefühlen. Alles habe eben seine Zeit, sagt der rüstige Rentner aus Weese.
Als gelernter Landwirt wechselte Johannes Hüls, der lieber Jan genannt werden möchte, eines Tages den Beruf und ging in den sechziger Jahren zum „Pütt“ (Bergwerk). „Warst du Bergmann, hattest du ein sicheres Einkommen und mit dem „Kohlebuch“ auch bessere Chancen bei den „Mädchen“, begründet Jan augenzwinkernd seinen damaligen Schritt. Er sei zunächst auf dem „Rudolfschacht“ gewesen, eine Schachtanlage, die aber 1979 aufgegeben wurde und heute mit einer Bergehalde überdeckt ist. Schnell habe er sich in die Welt der Bergleute integriert gefühlt, obwohl die gut 20 Kumpel aus dem Niedersächsischen Raum immer ein wenig gehänselt wurden. Sein gesamtes Arbeitsleben als Bergmann habe er direkt „vor Kohle“ verbracht. Niemals sei er woanders eingesetzt worden. Sein Bereich war der legendäre „Kohlehobel“, der sich durch das manchmal nur 80 Zentimeter hohe Flöz fraß und mit einem einzigen Zug 10 Zentimeter Kohle abhobeln konnte. Hier kannte sich der „Ortsmann“ aus und niemand machte ihm etwas vor. Es war harte Knochenarbeit, schildert Jan Hüls eindrucksvoll. Wenn etwas klemmte und der Hobel nicht weiterkam, musste Hand angelegt werden, damit die Kohleförderung nicht ins Stocken geriet. Oftmals waren es seine Ideen, die dazu führten, dass schließlich die gewaltige Maschine wieder lief. Auch das Vorziehen der „Schilder“ am Kohlehobel war harte körperliche Arbeit und in rund 1600 Metern Tiefe, bei oftmals 30 Grad und mehr, nicht gerade einfach.
Großer Kohlehobel im Garten von Rentner Jan Hüls. Eine große Überraschung der Kumpel für den verdienten Bergmann aus Weese.
Wenn Jan mit der Markennummer 193 die Stempelkarte abgab, wurde unter den Männern untertage übrigens nur noch Plattdeutsch gesprochen. Als er eines Tages zum Vorgesetzten Werner Nospickel gerufen wurde, erklärte dieser ihm kurz und trocken: „dänn witten Helm dor up`n Dischk säß du nu up“. Zunächst etwas widerwillig und dann später doch auch mit ein wenig Stolz hatte Jan es jetzt bis zum Aufsichtshauer geschafft. Er unterstreicht eindrücklich die Tugend der Bergleute in dem er sagt: „Jeder musste sich auf den anderen verlassen können, jeder half jedem, keiner wurde im Stich gelassen und alle waren im wahrsten Sinne des Wortes Kumpel“. Und genau darum wurde Johannes Hüls von den Bergleuten Untertage und seinen Vorgesetzten so hoch angesehen.
Großer Kohlehobel vor das schwarze Flöz. Jan Hüls mit dem damaligen Leiter des Sicherheitsdienstes, Jürgen Ahaus (2.vl.)
Schließlich nahte Jan´s letzter Arbeitstag im Pütt. Am 19. April 1996 fuhr Jan zum letzten Mal „ein“. Es ist die Solidarität, das Menschliche und die Verbundenheit über das Berufliche hinaus, was die Bergleute im Bergbau so sehr verbindet. Und so bereiteten die Kumpel ihm einen großartigen Abschied mit einem herzlichen „Glück auf“. Sie fuhren Jan nach der letzten Schicht mit einem kleinen FIAT 500 nach Hause. Tage später folgte die eigentliche Überraschung für Jan. Viele Kumpel und Vorgesetzte reisten extra mit einem Bus nach Weese, brachten zünftige Blasmusik, Bier und Bratwurst mit und übergaben als besonderes Geschenk einen ausgedienten Kohlehobel - die Maschine also, die Jan viele Jahre untertage bediente und kannte, wie kein anderer. Das wuchtige Ungetüm, das im Bergbau beim Abbau von Kohleflözen eingesetzt wird, ziert nun den Garten des sympathischen Rentners in Weese. So gesehen, steht dort heute der nördlichste Kohlehobel Deutschlands.
Schicht im Schacht